Zusammenfassung eines Gesprächs mit der Kollegin Gertrud Bocker am 25.9.2001:

Die Neugründung des Lehrervereins Tecklenburg-Nord erfolgte am 1.4.1948. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte Gertrud Bocker. Der Anschluss des Vereins an die GEW erfolgte erst etwas später nach der GEW-Delegiertenversammlung in Herford. Weil die Mitglieder des Lehrervereins Tecklenburg-Nord davon ausgingen, dass sie als Beamte nicht streiken dürfen, entrichteten sie keinen Beitrag zur Streikkasse und galten deshalb als "halbe Mitglieder".

Im Bereich des Lehrervereins Tecklenburg-Nord existierten zu dieser Zeit außer der Stadtschule Ibbenbüren nur Bauerschaftsschulen, die ursprünglich einklassig waren, aufgrund der zunehmenden Zahl der Vertriebenen- und Flüchtlingskinder aber in der Regel jetzt zweiklassig wurden, so dass Schichtunterricht im einzigen Klassenraum erforderlich wurde.

Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung betrug 30 Stunden für Lehrer, 28 Stunden für Lehrerinnen bei 10%-igem Gehaltsabzug. Es galt in dieser Zeit als selbstverständlich, dass Lehrerinnen nicht heirateten.

Die ersten acht Berufsjahre verbrachte Kollegin Bocker an der evangelischen Volksschule Höveringhausen, Schulverband Mettingen, wo sie 64 Kinder mit 34 Wochenstunden im Schichtbetrieb unterrichtete, aber nur für 28 Stunden bezahlt wurde.

In der gewerkschaftlichen Tagesarbeit spielten Gehaltsfragen eine große Rolle. Bis weit in die fünfziger Jahre dauerte die Auseinandersetzung um die Rücknahme der sechsprozentigen Gehaltskürzung, die Reichskanzler Brüning in der Zeit der Weltwirtschaftskrise durchgesetzt hatte. Ein weiterer Punkt war die Durchsetzung einer Stundenermäßigung für ältere Lehrerinnen und Lehrer, die im Jahre 1959 realisiert wurde.

Gegenstand pädagogischer Reformbemühungen war in dieser Zeit u.a. im Leseunterricht der Übergang zur Ganzwortmethode, der als modern galt, aufgrund der Vorgaben der britischen Militärregierung aber zunächst nicht praktiziert werden dürfte. Die jüngeren Kolleginnen befürworteten die Ganzwortmethode, trafen sich regelmäßig zu einer Arbeitsgemeinschaft und hospitierten sich gegenseitig an. Nur wenn alle Eltern einer Klasse bereit waren, die Einführung einer neuen Fibel zu bezahlen, konnte der Übergang zur neuen Methode nach Genehmigung durch die Schulaufsicht erfolgen.

Die Mitglieder des Lehrerverbandes Tecklenburg-Nord trafen sich regelmäßig einmal im Monat zu Veranstaltungen verschiedener Art, die nachmittags von 15 bis 18 Uhr durchgeführt und von durchschnittlich 50 Kolleginnen und Kollegen besucht wurden. Hierbei wurden auch selbstgeschriebene Theaterstücke aufgeführt, häufig wurd auch musiziert. Kollegin Bocker trug, bekleidet mit dem besten Kleid ihrer Großmutter, auf der Jubilarehrung Ende März 1955 das Lied "Die alte Jungfer" vor und erhielt dafür großen Beifall.

Bei Beerdigungen von Mitgliedern war es üblich, dass alle Mitglieder des Vereins den Sarg von Trauerhaus bis zum Friedhof begleiteten.

Kollegin Bocker wechselte im Jahre 1955 an die Ludwigschule in Rheine, wo sie bis zu ihrer Pensionierung zuletzt als Konrektorin tätig war; Schulleiter war in dieser Zeit der Kollege Erwin Schmidt, langjähriger Vorsitzender des GEW-Ortsverbandes Steinfurt.

Die Strukturreform, die im gesamten Land Nordrhein-Westfalen mit dem Schuljahr 1968 durchgeführt wurde, beeinflusste auch die Arbeit in der Gewerkschaft: während die Mitgliedschaft vorher fast einheitlich aus Volksschullehrerinnen und -lehrern bestand, die sich vor gleichen pädagogischen und berufspolitischen Aufgaben sahen, kam es nun zu einer Aufsplitterung der unterschiedlichen Interessenlagen der Grundschul- bzw. der Hauptschullehrerinnen und -lehrer.

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