Bildungspolitische Diskussion vor der Landtagswahl machte Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich

Seit PISA steht die Bildungspolitik wieder an zentraler Stelle der politischen Diskussion in Deutschland. Dies lässt es erklärlich erscheinen, dass eine im Vorfeld der Landtagswahl angesiedelte gemeinsame Veranstaltung des DGB-Ortsverbandes Rheine und des GEW-Kreisverbandes Steinfurt am 11. Mai ganz im Zeichen der Bildungspolitik stand.

Moderiert von dem früheren GEW-Landesvorsitzenden Jürgen Schmitter diskutierten Manfred Degen (SPD), Marie-Theres Kastner (CDU), Ewald Grotz (B90/GRÜNE) und Karl-Heinz Reinartz (FDP) über die Frage, welche Entwicklung das Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen in der nächsten Zeit nehmen soll.

Die Veranstalter hatten die Frage, wie die soziale Selektion im Schulsystem beseitigt werden könne und ob in diesem Zusammenhang auch eine neue Diskussion über die Schulstruktur geben solle, ins Zentrum der Diskussion gestellt. Kastner betonte hierbei, eine gezielte Förderung müsse schon im Kindergarten ansetzen: "Förderprogramme sind wichtiger als Schulstrukturen." Gleichzeitig gelte aber auch: "Eine gebildete Mutter ist die beste Förderung."

Im Hinblick auf die Bedeutung des Kindergartens stimmte Groth mit ihr überein; deshalb sei es wichtig die Qualifikation von Erzieherinnen und Erziehern zu stärken. Dies dürfe jedoch nicht bedeuten, am bisherigen dreigegliederten Schulsystem festzuhalten: "Dreifältig ist einfältig."

"Dreifältig ist einfältig," meinte Ewald Groth (B90/GRÜNE) zur bestehenden Schulstruktur in Nordrhein-Westfalen, während Karl-Heint Reinartz (FDP) das dreigliedrige Schulsystem erhalten, aber reformieren will.

Degen wies auf die im neuen Schulgesetz vorgesehene Möglichkeit der Verbundschule. Dies sei die "mildeste Form, um Schulen vor Ort zu halten." Anderenfalls müsse über die Streichung der Hauptschule oder die flächendeckende Ausdehnung der Gesamtschule nachgedacht werden.

Reinartz verwies auf das britische Schulwesen, das die "Selbstrekrutierung der Elite" erfolgreich betreibe. Er sprach sich eindeutig gegen die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems aus, das allerdings in Richtung Ganztagsschule weiter entwickelt werden müsse.

Auf Grund aktueller Diskussionen in Rheine wurde in einer zweiten Runde die Thematik des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nicht behinderten Kindern in der Sekundarstufe I angesprochen. Alle Parteien sprachen sich grundsätzlich für eine Ausweitung des gemeinsamen Unterrichts aus. Der FDP-Vertreter wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es Behinderungen gebe, die mehr und spezieller ausgebildetes Personal erforderten, als dies in den Regelschulen möglich sei. Der GRÜNEN-Vertreter bedauerte, dass sich die Sonderschulen lange Zeit gegen den gemeinsamen Unterricht gewehrt hätten.

Deutliche Unterschiede zwischen der regierenden SPD und der oppositionellen CDU hinsichtlich der Einführung von Studiengebühren wurden von Manfred Degen und Marie-Theres Kastner ausformuliert.

Als dritter Punkt wurde die Frage der zunehmenden Privatisierung der Kosten für Bildung gerade von den Vertretern der beiden großen Parteien sehr kontrovers diskutiert. Degen trat vehement dafür ein, das Erststudium in Nordrhein-Westfalen weiterhin ohne Studiengebühren zu ermöglichen. Auch müsse das BAFöG erhalten bleiben. Kastner votierte dagegen dafür, dass die Hochschulen die Möglichkeiten erhalten sollten, Studiengebühren bis zu 500 € im Semester zu erheben; die dadurch einfließenden Mittel sollten dann in die Verbesserung der Lehre gesteckt werden.

Schließlich beschäftigte sich die Diskussionsrunde mit der Frage, wie angesichts des in vielen Fächern zunehmenden Nachwuchsmangels der Lehrerberuf attraktiver gemacht werden könne. Die in diese Richtung gehenden Beiträge der Parteienvertreter wiesen in recht verschiedene Richtungen. Für die SPD fällt der Verbesserung der Lehrerausbildung eine große Rolle zu. Diese müsse vor allem praxisnäher gestaltet werden. Die CDU-Vertreterin warnte davon, die Schule mit der Lösung aller gesellschaftlicher Probleme zu überfrachten. Groth meinte, in erster Linie müsse das Ansehen der Lehrerinnen und Lehrer in der Öffentlichkeit gestärkt werden; dann sei es auch möglich, den Anteil der Bildungsausgaben an den öffentlichen Haushalten zu erhöhen. Reinartz forderte, die Durchlässigkeit der Berufsperspektiven für Lehrkräfte zu erhöhen; es müssten aber auch "harte Kriterien" wie Entlohnung und Arbeitsbelastung berücksichtigt werden.

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