Lesung mit Oliver Steller
Durch ein Stück Zeitgeschichte
Von Annegret Rose
BURGSTEINFURT. Wer kann mit einem Satz trösten
und erfreuen? Der Rezitator. Keiner vermag das so genial wie der
im Rheinland beheimatete Künstler Oliver Steller, nicht zuletzt,
weil er auch Musiker ist. Am Freitagabend trat er im
Martin-Luther-Haus auf, wobei er eine heitere Atmosphäre mit
Versen von Robert Gernhardt schuf. Sabine Fischer,
Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
(GEW, Kreisverband Steinfurt), empfing ihn und das Publikum mit
Dank für den Mut, an dieser Veranstaltung teilzunehmen. „Hell und
schnell“, eine Definition, die von Christian Morgenstern geprägt
wurde, lautete der Titel des Programms.
Foto: Annegret Rose |
Gedichte bieten neben Einsichten Trost
und Unterhaltung. Dafür steht der Name Robert Gernhardt.
Am 13. Dezember 1937 wurde er in Tallin (Estland) geboren,
2006 stirbt er an einem Krebsleiden in Frankfurt. Nach dem
Abitur 1956 in Göttingen studiert er, zunächst in
Stuttgart, später in Berlin Kunst und Germanistik. Er
lernt F.W. Bernstein kennen und arbeitet zunächst für die
Zeitschrift „Pardon“. In der Zusammenarbeit mit Bernd Eilert,
Clodwig Poth, Hans Traxler und Peter Knorr während des
Studiums in Berlin und später auch mit Otto Waalkes
entstehen Nonsens-Gedichte. Also Gedichte mit einem
unerwarteten Sinn. „Theo, wir fahren nach Lodz / Also vier
fahren nach Lodz…“, oder „Deutung eines Allegorischen
Gemäldes“, „Wie wenn da einer wäre…“, „Denk dir ein
Trüffelschwein, denk’s wieder weg…“. „Seht ihn an, den
Schreiner, trinkt er, wird er kleiner…“. Allein Gernhardts Lyrik umfasst 1268 Gedichte. Sein Interesse galt den Menschen in deren Lebensbedingungen in der Republik. Er gehörte zu der 68-Generation, wird aber eher als „liberaler Scheißer“ gesehen, wie Steller beschreibt. „Denn die Kunst ist eins und zwar heiter. Und sonst gar nichts. Klar…“ |
Gernhardt erarbeitete sich mit seiner Kunst
einen bedeutenden Namen. Mit der „Neuen Frankfurter Schule“ und
Veröffentlichungen in der „Titanic“ und der „Zeit“ gerät er in die
konservative Kritik, doch sein Humor und seine Klugheit werden in
der Literatur anerkannt. „Gernhardt hatte Glück“, behauptete
Steller. Der Lyriker erhält den Heinrich-Heine-Preis in
Düsseldorf. Loriot habe in der ersten Reihe gesessen und ihn
scherzhaft gebeten, nachzusehen, ob nicht „Heino“ unter seinem
Preis stehe, so Steller. Ernstere Themen, wie Krankheit, werden
von Gernhardt, der 1996 eine schwere Herzoperation übersteht, mit
liebenswürdiger Ironie bewältigt. „So lieg ich hier…“.
Es entstehen 100 reimlose Siebenzeiler „Herz in
Not“ oder „Es ist nicht mein Stil andere zu hassen und böse zu
sein…“. Steller führt die Zuhörer mit Text und Musik durch ein
Stück Zeitgeschichte, das durch Gernhardts Lebens-Rhythmus
bestimmt wird.
Zuletzt verabschiedet sich Steller mit
Gernhardts Gedicht „Von den Gästen“: „Was einer ist, was einer
war, beim Scheiden wird es offenbar (…) Sagt er, Leb wohl, so leid
mir’s tut, dann sei mal lieber auf der Hut. Tut er nur Tschau, bis
dann, dann brommen, dann will das Arschloch wiederkommen.“ Mit
Respekt hoffentlich.